Es war nur eine kleine Frauengruppe des Kunstkreises Warendorf, die sich am 26. März aufgemacht hatte, um die besucherstärkste Ausstellung des Museums Ostwall seit seiner Eröffnung 2010 zu besuchen. Dort war eine 1 1/2-stündige Führung gebucht. Der Museumsmitarbeiter, der noch dazu aus dem benachbarten Beckum stammte, war selbst ein großer Fan der Ausstellung, zu der er detailreich und mitreissend über die Kunst und die Künstlerin informierte.

Die Jahresfahrt 2016 führte den Kunstkreis Warendorf zum Sprengel-Museum nach Hannover, zu dem Niki de Saint Phalle eine freundschaftliche Beziehung hatte. So sind ihre Werke dort im öffentlichen Raum wie auch im Museum zu besichtigen.

In Dortmund jedoch konnten die Besucherinnen ganz neue und intensive Seiten der Künstlerin kennenlernen: Sie malte u. a. Bilder im Stil von Paul Jackson Pollock (ein Künstler des abstrakten Expressionismus und Begründer des „Action Painting“). Diese Art, Farbe auf die am Boden liegende Leinwand tropfen und fließen zu lassen, so dass sich daraus Strukturen, Rhythmen und Muster bilden, versah Niki de Saint Phalle allerdings mit einer Geschichte bzw. einer Frauenfigur, die ihren später entwickelten Nanas schon ein wenig ähnelte.

In erster Ehe war sie verheiratet mit Harry Matthews, mit dem sie zwei Kinder hatte. Als sie den Künstler Jean Tinguely kennenlernte, verließ sie ihre Familie für die Kunst. Mit ihrem neuen Lebensgefährten und späteren Ehemann, Jean Tinguely, begann ein neuer Abschnitt ihrer künstlerischen Tätigkeit. Tinguely arbeitete bei einigen seiner Arbeiten mit Schrottelementen. In Anlehnung daran erstellte Niki de Saint Phalle aus vielen kleinen Schrottelementen ebenfalls Bilder, die sich allerdings in der Zusammensetzung vollständig abheben.

Um den Menschen hinter der Künstlerin zu verstehen, muss man wissen, dass sie von ihrem Vater als Kind sexuell missbraucht wurde. Diese Erfahrung in ihrem jungen Leben verarbeitete sie immer wieder in ihren Arbeiten. Bei einigen Bildern schreibt sie auch dazu, wer bei den Darstellungen gemeint ist. Dennoch tut der Ausstellungsbesucher sich schwer, die aparte, zierliche Niki de Saint Phalle mit den teils bedrohlich, gewalttätig wirkenden Elementen ihrer Arbeiten in Einklang zu bringen. Mit ihren gewaltigen Nanas dagegen feierte sie das Weibliche.

Um Ihre Aggressionen zu verarbeiten, beginnt Sie in den 70er Jahren auf Bilder zu schießen. Durch die Schüsse ergoss sich Farbe aus eingegipsten Beuteln hinter der Oberfläche über die Bilder. Dadurch lässt Sie die Bilder „bluten“, wie sie es nannte. Zwei Jahre arbeitet sie so und wird dadurch weltberühmt. Weil sie sich in diesen-Arbeiten mit weiblichen Rollenbildern auseinandersetzte, indem sie „ursprüngliche“ Rollen wie die Mutter, die Gebärende, die Göttin ins Groteske steigerte oder ins Utopische wendete, wurde sie auch verstärkt als Feministin wahrgenommen. Als sie erkennt, dass diese Art zu arbeiten fast zur Sucht wird, beendet sie sie und sucht einen neuen Weg sich auszudrücken.

Auf die Idee mit den Nanas kam sie durch ihre schwangere Freundin Clarice. In der Zeit, in der sie sich als Künstlerin behauptete, gab es die Vorstellung, dass Frauen Zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern sollten und der Mann meist das Sagen im Haus hatte. Dagegen setzten sich damals viele Frauen zu Wehr. Niki de Saint Phalle dokumentierte das mit ihren Nanas. Die meisten sehen lustig und beschwingt aus, aber darum ging es ihr nicht. Sie sollten die Macht der Frauen zeigen, in ihrer Vorstellung sollte es ein Matriarchat geben. Die ersten Figuren bestanden aus Draht, Wolle und beklebtem Papier. Ihre Figuren sollten aber im öffentlichen Raum stehen. Deshalb begann sie mit Polyester zu arbeiten, das sie mit Hitze bearbeitete. Dabei entstanden giftige Dämpfe, die ihre Lunge schädigten und später zu ihrem Tod führten.

Niki de Saint Phalle ist schon fast 15 Jahre tot. Doch durch ihre Nanas bleibt sie lebendig. Für Toskana-Urlauber gibt es noch einen Ausflugstipp: ihren Tarotgarten. Der Tarotgarten von Niki de Saint Phalle befindet sich, eingebettet in die sanften Hügeln der Maremma, in dem kleinen Ort Capalbio, Provinz Grosseto, in der südlichen Toskana.